Plädoyer für eine Kultur des Abschiednehmens von unseren Verstorbenen

Schon seit vielen Jahren ist in städtischen Gebieten die Kultur des Abschiednehmens von den Verstorbenen mehr und mehr im Verschwinden begriffen. Nach dem anonymen Nebeneinander in Wohnblocks wird auch das Begräbnis fast anonym. Das zeigt sich etwa dann, wenn bei einer Beerdigung einer älteren Person ohne Angehörige nur der Bestatter und der Priester/Pastoralassistent anwesend sind. Wenn es gut kommt, geben noch drei bis vier Personen das letzte Geleit.
Gott sei dank ist das in ländlichen Gebieten (noch?) nicht der Fall. Die Kultur des Abschiednehmens ist bei uns noch verbreitet: Die Aufbahrung in der Friedhofkapelle, das Gebet für die Verstorbenen nach der hl. Messe in der Friedhofkapelle, das Sterbegebet, die Beerdigung oder Urnenbeisetzung mit dem anschliessenden Trauergottesdienst, der Dreissigste und die Jahrzeit. Diese Gebete und Gottesdienste für die Verstorbenen finden in verschiedenen Stadien der Trauer statt. Das ist ein Werk der Barmherzigkeit, das in die Ewigkeit hinein reicht. All das hilft auch, sich mit der Trauer auseinanderzusetzen. Wir drücken dabei immer auch unseren Glauben an die Auferstehung und das ewige Leben aus. Im Glauben vereint, beten wir für einander und stützen uns gegenseitig in der Zeit der Trauer.
Manche meinen, man könne auf all das verzichten. Ist es falsche Bescheidenheit, Oberflächlichkeit oder bewusste Verdrängung? Ich weiss es nicht. Ist jemand im Spital verstorben, wird der Leichnam manchmal direkt zum Krematorium überführt. Die engsten Angehörigen können in diesem Fall wohl noch Abschied nehmen, aber die anderen sind ausgeschlossen. Es gibt Freundschaften, die über viele Jahre Bestand haben. Da ist es doch sehr zu bedauern und unter Umständen schmerzlich, wenn das Abschiednehmen verunmöglicht wird. Wenn der Leichnam wenigstens zwei Tage in der Friedhofkapelle ist – vorher darf er gar nicht kremiert werden – können doch jene, die das wollen, ein letztes Mal die verstorbene Person sehen und von ihr Abschied nehmen. Man sollte bedenken, dass Depressionen in manchen Fällen auf schlecht verarbeitete Trauer zurückgeführt werden.
Wenn man seinen letzten Willen formuliert, sollte man diese Kultur des Abschiednehmens ermöglichen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit allen danken, die bei uns zur Kultur des Abschiednehmens beitragen: den Grabbeterinnen, der Friedhofkapellenwärterin, den Kreuz- und Fahnenträgern, den Bestattern, allen die zum Friedhof Sorge tragen, indem sie die Gräber und das Gemeinschaftsurnengrab pflegen. Speziell danke ich dem Kirchenchor von Unteriberg, denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass er selbst an Werktagen bei Beerdigungen, beim Dreissigsten und zur Jahrzeit das Requiem singt.